Bei Bastian Scherbecks Blog "Neues aus der Blogosphäre" fand ich einen lesenswerten Artikel, wie sich Blogger als Multiplikatoren für seine Öffentlichkeitsarbeit gewinnen lassen. Überschrieben ist der Text mit "Blogger Relations: Die Social Media Release".
Dort gibt er so hilfreiche Tips, Blogger mit klassischen Presse-Aussendungen zu verschonen. Da sich die Blogger im Allgemeinen nicht für die PR Dritter einspannen lassen wollen, könne das nach hinten losgehen. Damit hat er nicht unrecht.
Er beschreibt Wege, wie man mit interessanten Bloggern Kontakt aufnehmen und diesen pflegen kann. Statt Pressemeldungen empfiehlt er spezielle Social Media Releases, die auf die Blogger abgestimmt sind. Natürlich sollte man auch die Blogger, die in Frage kommen sauber identifizieren und ihnen nur Informationen (am besten RSS nutzen) auf Wunsch zukommen lassen, die ihre Themen betreffen.
Soweit alles richtig (dazu siehe auch zahlreiche weiterführende Beiträge von Klaus Eck in PR-Blogger).
Allerdings frage ich mich als Autor, der täglich bis zu 100 Pressemitteilungen erhält, davon oft 95, die absolut nicht mein Tätigkeitsprofil betreffen, warum sollte man nur bei Bloggern solch eine große Sorgfalt an den Tag legen.
Für mich stellt sich eher das Problem, dass im PR-Bereich oft mit Masse und auf gut Glück statt mit Klasse gearbeitet wird, was bei den Empfängern viel Spam, Frust und Mühe verursacht. Was allerdings manche Aussender wenig zu stören scheint. Der einzige negative Effekt ist meist nur, dass die Meldung im Orkus landet und die Agentur dem Kunden oder die Pressestelle der Geschäftsführung leider mitteilen muss, dass so gut wie kein Empfänger die tolle Meldung übernommen hat, außer einige wenige aus der Fachpresse.
Bei Journalisten und Redaktionen besteht auch nicht die Gefahr, dass sie eine Null-Meldung im negativen Sinne verbreiten. Sonst hätten sie viel zu tun. Dafür ist ihr Papierkorb um so größer und geduldiger.
Bei Bloggern könnte jedoch die Gefahr bestehen, dass sie negativ auf PR-Infos reagieren und sie diese entsprechend kommentiert viral verbreiten, was einem direkten Reputationsschaden gleich käme.
Statt nun die Blogger PR-mäßig in Watte zu packen und bei der Presse weiterhin auf Masse (natürlich sind hier nicht alle Agenturen gemeint) zu setzen, kann ich nur dringend dafür plädieren, die Qualität der PR-Aktionen auch in Richtung Presse zu erhöhen.
Viele Journalisten wären schon dankbar, wenn vor einer Aussendung professionell geprüft würde, ob die Meldung überhaupt ihre Themenbereiche betrifft. Sie würden sich auch freuen, wenn sie sich nicht durch PR-Lyrik und Floskeln durchkämpfen müssen, die oft unsinnigerweise auch noch schön und kilobyteschwer layoutet sind und sich nur zäh und zeitraubend öffnen lassen.
Zu oft stellt sich auch die Frage beim Empfänger: ist das eine Meldung – oder ist in Hongkong wieder nur ein Fahrrad umgefallen?
Klar weiß ich, aus welchen Zwängen heraus solches passiert. Der Kunde, die Geschäftsleitung macht Druck. Da fallen bei Einwänden von PR-Profis, die es besser wissen, Anagen: "Bezahle ich Sie oder die Presse? Ich kann auch Anzeigen schalten, dann brauche ich Sie nicht ..." Wer traut sich da zu sagen: "Das bringt nichts, überhaupt nichts zu machen wäre am billigsten."
Hin und wieder habe ich auch den Verdacht, dass zum Schluss mancher Pressemeldungen der Satz fehlt: "Unser Praktikant X oder die Assistentin Y hat gestern das erfolgreiche Tagesseminar "PR-Meldungen erfolgreich schreiben und platzieren besucht und ist nun für alle Herausforderungen der Pressearbeit gefeit."
Nichts gegen Praktikanten (Bastian Scherbeck, der oben genannte Autor ist auch einer), doch die können ja nur vom existierenden Know-how lernen und profitieren. Aber wenn dies und der Respekt für die Adressanten nicht vorhanden ist, weil PR-Arbeit eh nicht so ernst genommen wird ...
Auch anderes ließe sich hier nahtlos anfügen, etwa, dass im Portfolio etlicher Agenturen jetzt auch Worte wie Krisen- und Reputation-Management auftauchen. Nun ja, Moden und Honorarsätze sprechen sich herum. Allerdings wäre es sinnvoll zunächst die Qualität der klassischen Arbeit zu erhöhen, bevor man sich an die schwierigen Themen heranwagt. Oder würden Sie sich von ihrem Hausarzt ein Herz transplantieren lassen?
Aber all das ist ja nicht neu. In der Branche selbst findet ja ständig die Qualitätsdiskussion statt – und es gibt ja genug Agenturen und Pressestellen, die sich angenehm von der Spreu abheben, die hier gemeint ist.