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Dem Long Tail get es an den Schwanz, nachdem in der Harvard Business Review die Wissenschaftlerin Anita Elberse die von Wired-Chefredakteur Chris Anderson vor vier Jahren aufgestellte These angreift. Die Süddeutsche Zeitung widmete heute gar dem Widerspruch von Elberse (Titel: Should You Invest in the Long Tail?) einen Bericht.

Zur Definition des Long Tail: Im Netz, weil dort die Regal-Kapazität nicht annähernd so stark eingeschränkt ist wie in den Offline-Läden, hätten auch Nischenprodukte eine Chance ihre Käufer zu finden, lautete die gerne wiederholte (und hier etwas einfach zusammengefasste) These von Anderson.

Es müssten also nicht nur die Blockbuster sein, die das Business und den Massengeschmack bestimmen – gute Geschäfte seien endlich auch mit Nischenprodukten möglich. Online nehme der Big Head in der Verkaufskurve ab, dafür würde die auslaufende Kurve, der Long Tail, Richtung Unendlichkeit stärker.


Damit dürfte Anderson vielen aus der Seele gesprochen haben, die sich via Internet eine andere, differenzierte und individuellere Warenkultur erhoffen – insbesondere auch im Blockbuster-orientierten Entertainmentbereich.

Was Anderson allerdings wohl in diesem Zusammenhang nicht ganz bedacht hat, ist die Frage der Aufmerksamkeit, die ein Artikel benötigt. Dass das Internet und seine virale Power eine Chance für so genannte "Sleeper" bedeutet, also Produkte, deren Vorteile, Stärken oder Unterhaltungswert sich erst allmählich herumspricht, kann man unterstreichen. Doch darf man per se den Long Tail zum allgemeinen Dogma zu erheben, der die klassische Formel, dass 80 Prozent des Geschäfts mit 20 Prozent der Produkte gemacht wird, einfach aushebelt?

Nach den Untersuchungen von Elberse legten aber die Hits und Blockbuster im Online-Business sogar zu. Sie gibt zu, dass der Long Tail zwar tatsächlich länger, aber auch flacher wird. Somit habe sich das Verbraucherverhalten so gut wie nicht verändert. Das heißt, die Chance, die das Internet Nischenprodukten bietet, die wurden auf Verbraucherseite in den USA nicht angenommen. Ebensowenig, wie sich das Internet tatsächlich zu einem One-to-One-Medium etabliert hat, was die Long Tail-These stützen würde.
Allerdings gibt es zwischen Elberse und Anderson inzwischen eine Auseinandersetzung, wie der Begriff Nischenprodukt zu definieren sei ...

Sollte Elberse in der Diskussion Recht behalten, erleben die Internet-Vorausdenker erneut, dass die Massen durch Gewohnheit oder Trägheit die Möglichkeiten des Webs kaum ausschöpfen. Hoffen wir auf den neuen Web-Menschen. Das Thema Long Tail geht jetzt wohl erstmal auf Wiedervorlage bis zum Web 3.0.



 
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