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Helmut Markwort, Focus-Chefredakteur und mit seinem wöchentlichen Tagebuch Print-Blogger der Nation, hat in einer Rede bei der Media-Night der CDU ein wunderbares Bespiel geliefert, wie sich eine ganze Kaste um Glaubwürdigkeit und Reputation bringt und dabei auch die einladende Partei nicht geschont.

Mehr noch: seine Analyse zeigt, dass viele Spitzenpolitiker nicht nur ihr Eco-System beschädigen. Sie beschädigen viel mehr: die Grundlagen des Zusammenlebens unserer Gesellschaft und die Verkehrsregeln zwischen den gesellschaftlichen Schichten untereinander und mit der Politik
.


Markworts Rede ist aber mehr als eine Politiker-Schelte. Sie zeigt, wie rasch sich Auswüchse aus allen Bereichen der Gesellschaft und Wirtschaft viral übertragen und dort zu allgemeinen Vertrauens- und damit auch zu Werte-Verlusten führen. Im Extremfall gar zur Selbstzerstörung. Nicht nur viral, ganz real.

Das Wort Politik-Verdrossenheit sei nicht neu, weiß er und greift weit zurück in die Geschichte dieser Republik und ihrer Vorläufer. Allerdings lässt sich aus seiner Rede ablesen, dass heute darin bei vielen Bürgern, die nicht mehr wählen gehen nicht nur Verdrossenheit steckt, sondern auch Resignation: Um was geht es Parteien? Um das Wohl der Bürger, des Staates oder vielmehr um Machterhalt.
Auch wenn Markwort der Außerparlamentarischen Opposition (APO) und ihren Persönlichkeiten wie Rudi Dutschke vorwirft, dass die APO antiparlamentarisch gewesen sei. Resignativ und ins Private zurückgezogen war sie zumindest in den späten 60er Jahren nicht, sondern hat zur Auseinandersetzung provoziert. 

Marktwort stellt dem Wort Politikverdrossenheit die Verdrossenheit von Politikern über die Bürger gegenüber. Politiker, die sich falsch verstanden fühlen und nicht begreigen, warum trotz ihrer hohen, selbstlosen Einsätze vor jedem Mikrophon ihre Leistungen kaum zu Reputations- und Legitimationsgewinn führen. Analogien zur Wirtschaft sind erlaubt, siehe dazu auch
meinen Blog-Beitrag "Wie im Krieg – Virale Kollateralschäden" über den Feind Öffentlichkeit.

Der Mann, der in seinen Kolumnen gerne Schiedsrichter mit dem persönlichen Blickwinkel spielt, spart auch nicht an Kritik der eigenen Zunft, wenn er hervorhebt, dass nicht nur in der Politik die Verpackung oft mehr zählt als der Inhalt.

Auch wer das Magazin Focus nicht zu seiner Lieblingslektüre zählt oder mit Markworts wöchentlichen, markigen Tagebucheinträgen wenig anzufangen weiß, sollte sich in einer ruhigen Stunde seine Rede vornehmen. Aus ihr kann man mehr mitnehmen als aus vielen teuren Kommunikations-Ratgebern, weil er tief bis zur Wurzel der Probleme durchdringt. Er fordert Substanz und grundsätzliche Haltung ein, statt der üblichen Kosmetik, der Beicht- und Ablassrituale, die erst nach dem Fall einsetzen.

Fragt sich nur, ob er damit durchdringt, denn anscheinend ist so manchem in dieser Republik und Gesellschaft im täglichen Kampf um Aufstieg und Machterhalt abhanden gekommen, was Substanz, Haltung, Rückgrat und Stil sind.
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