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Gestern konnte ich auf der Münchner Premiere den neuen Film "Der Baader Meinhof Komplex" sehen.
Lange habe ich keinen deutschen Film mehr gesehen, der gleichermaßen unter die Haut geht und dazu auch noch eine präzise, erlebbare Zustandsbeschreibung der Republik in den 60er und 70er Jahren liefert.

Die Kamera ist so bewegt und nahe an den Protagonisten, dass man regelrecht in den Film hineingezogen wird.
Wer die Zeit nicht miterlebt hat, der kann aus der heutigen Perspektive zumindest begreifen, wie damals die Republik funktionierte als sich die Jungen gegen die Väter auflehnten, wegen Vietnam und anderen menschenverachtende Ungerechtigkeiten auf die Straße gingen.


Besonders Faszinierend neben Macho Baader, gespielt von Moritz Bleibtreu, und Martina Gedeck als Meinhof, ist Bruno Ganz, der brillant den BKA-Chef Herold darstellt. Aber auch die anderen Darsteller sind exzellent und überzeugend.

Der Film bleibt aber nicht beim Gestern stehen, sondern liefert auch einen Blick auf die Wurzeln des internationalen Terrorismus.

Interessant hierbei die Analyse des Polizeiführers Herold: So lange es nationale und internationale Konfliktherde gibt, sich Gruppen und Völker unterdrückt fühlen, so lange wird es auch Terrorismus geben: "Die Polizei kann zwar den Terrorismus bekämpfen, aber nicht die Ursachen abschaffen, die zu ihm führen." Wieweit sich Drehbuch-Autor und Produzent Bernd Eichinger hier tatsächlich an die Worte von Herold, dem Erfinder der Rasterfahndung, gehalten hat, kann ich nicht sagen.

Gut wird auch geschildert, welche Rolle die damalige Springer-Presse schilderte. Rudi Dutschke, der ein nicht terroristisches Gegengewicht gegen den aufkeimenden RAF-Terrorismus hätte bilden können, wurde durch die Hetzjagd Opfer eines Attentats und musste sich aus Gesundheitsgründen von seinen bisherigen politischen Aktivitäten zurück ziehen.

Tatsächlich war Dutsche, nicht Baader, Meinhof & Co., damals eine Gefahr für Regierung und Establishment, da er es verstand mit seinem Charisma enorm viele junge Menschen und Studenten hinter sich zu bringen und damit Verkrustungen aufzubrechen.

Das Ziel von Baader war es eher frontal, mit Gewalt-Aktionen den Staat zu bekämpfen. Damit, das wird auch geschildert, verlor er seine Basis in der Gesellschaft, wurde zum Außenseiter. Zwar hat er mit archaischen Aktionen gezeigt, wie repressiv der Staat reagiert, wenn man ihn angreift, doch letztendlich ist er im und am gesellschaftlichen Umfeld gescheitert. Was blieb war ein eher zweifelhafter Mythos, verzweifelte Sprüche wie "Macht kaputt, was Euch kaputt macht" und die Flucht vieler 68er in den langen Marsch durch die Apparate ...

Auf jeden Fall ist der Film ein Muss.

Wer den Lauftext der Spiegel-Titelgeschichte zu dem Film gelesen hat, sollte sich nicht abschrecken lassen. Das war ein ziemlich aufgeblasener, peinlicher und wichtigtuerischer Feuilleton-Kauderwelsch, wie er des Spiegels nicht würdig ist.

 
Tag(s) : #Viral Clash
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