Oder wie kleine Geschenke die Reputation zerstören.
Die Anfrage, ob ich gegen ein kleines Geschenk bereit wäre, auf meinem Blog ein Empfehlungs-Marketing zu posten, provozierte mich zu der Headline. Nach meinen Recherchen könnte die Frage, wie leicht sich manche Blogger zu Meinungs-Huren machen lassen, auch ohne Fragezeichen stehen.
Tatsächlich ist es einfach und billig seinen Ruf als Blogger zu verschleudern.
Der Schleuder-Tarif, der mir angeboten wurde war: entweder ein iPod-Shuffle, ein Trecking-Rucksack oder einen USB-Stick. Dafür sollte ich eine Website formal und inhaltlich auf meinem Blog bewerten und ein Tracking liefern.
Rufzerstörung zum Billigtarif.
Ein tolles Angebot, dachte ich und wollte mehr wissen, was für die milde Gabe alles zu leisten sei. Natürlich war ich auch neugierig, wie billig Blogger bereit sind ihre Reputation zu verkaufen, frei nach dem Spruch „Jeder ist bestechlich, es kommt nur auf die Summe an“.
Die Aufgabe war eine Consumer-Seite für Lebensversicherungsverkäufe zu analysieren und seine Meinung zu Produktidee, Produktnutzen, Design und Usability auf dem Blog darzustellen. Dazu sollten verschiedene Materialien, Links etc. eingebunden werden.
Weiter heißt es: „Für uns wäre es sehr wichtig, die Reichweite Ihres Beitrags nachvollziehen zu können. Bitte verwenden Sie deshalb bei Verlinkungen aller Art, insbesondere bei Textlinks ausschließlich die Links von dieser Microsite. ... In diesem Zusammenhang möchte ich anfragen, ob Ihr Blog zufällig ein Google Analytics Tool hat? Sollte dies der Fall sein würde ich gerne wissen, ob es möglich wäre, wenn Sie einen eingeschränkten Zugang für uns einrichten könnten? Ansonsten würden wir uns auch freuen, wenn Sie uns die Zahlen der durchschnittlichen Besucher/Tag (Unique Visitors) und Abrufe des Beitrags nennen (bitte mit Screenshot Ihres Analysetools belegen).“
Wer hat mitgemacht?
Bei einer Meta-Suche schlugen ein gutes Dutzend Blog-Adressen auf, die an dieser Empfehlungs-Marketing-Aktion teilnahmen.
Darunter auch Seiten, die mit dem Thema überhaupt nichts zu tun hatten, was zu so deutlichen Kommentaren führte wie: „Was’n das, auch Tarnkappen-Werbung? ... Boah, da liest man soviel Marketing-Bullshit…“
Nur wenige Blogger informierten ihre Leser, dass sie vergütetes Empfehlungsmarketing gepostet hatten (Beispiel: Dies ist ein von ... vermittelter bezahlter Eintrag.). Ein Blogger schrieb, dass er für den Beitrag ein Geschenk erhält, aber dennoch seine Meinung schreibt. Ein anderer nutzte die virale Undercover-Aktion offen und geschickt für sein Eigenmarketing und verloste den iPod-Shuffle unter den Kommentatoren, was 27 Kommentare einbrachte. Diese viralen Effekte dürfte nicht nur ihn, sondern auch die Agentur und ihren Auftraggeber gefreut haben.
Wie heißt es so schön auf der Website der Agentur für virales Marketing, die diese Aktion durchgeführt hat: „ ... setzt dabei auf Empfehlungsmarketing im Netz. Die Agentur nutzt hierfür die Blogger-Szene als Markenbotschafter. Die Mitglieder des Netzwerks erhalten Zugang zu neuen Produkten, Dienstleistungen und Events. Im Gegenzug berichten sie in ihren Foren über ihre Meinungen und regen damit Diskussionen an. ... Vor allem Blogger gehören heute zu den einflussreichen und Reichweiten starken Opinion-Spreading-Kanälen.“
Bewerten Sie selbst.
Jeder Blogger sollte selbst wissen, was er auf seine Seite stellt. Aber auch, was es für ihn und die Blogger-Szene bedeutet, wenn pesönliche Blogs – verdeckt oder offen – zur Plattform für vergütetes und damit manipuliertes Empfehlungsmarketing werden.
Man hat nur einen Ruf zu verlieren
Verwundert bin ich, wie billig sich so mancher Blogger für solch eine Aktion hergibt, die seinen Ruf nachhaltig schädigen kann.
Es geht aber nicht nur um eine ethische Frage und die Glaubwürdigkeit von Bloggern. Das Thema tangiert auch Wert und Wirkung des Empfehlungsmarketings.
Was ist eine Empfehlung wert, die nur ausgesprochen wird, weil dafür bezahlt wurde? Und welche Effekte entstehen, wenn die Zielgruppe erfährt, dass ein Unternehmen mit gekauften Empfehlungen arbeitet. Das dürfte nicht allein den käuflichen Blogger treffen, sondern auch die empfohlene Marke beschädigen. Der Aufbau einer Markenreputation und sieht anders aus. Das muss eine Zusammenarbeit mit Bloggern nicht ausschließen, doch bitte nicht mit Mitteln der Täuschung und Camouflage.
Ich habe lange mit Freunden und Kollegen diskutiert, ob man Auftraggeber, Agentur und jene Blog-Sites nennen soll, die nicht mit offenen Karten spielen. Da dies kein einzelnes Phänomen ist und für die grundsätzliche Diskussion wenig bringt, entschied ich mich dagegen. Wer dennoch neugierig ist und sich ein wenig beim googeln auskennt ...
Viel wichtiger ist die Frage, wie grenzen sich Blogger von solchen Aktionen ab?
Wie kann man seinem Leser deutlich machen, dass im Blog keine gekauften Meinungen auftauchen? Brauchen wir virtuelle Stempel, Siegel (helfen die wirklich?)? Einen Verein sauberer Blogger (kein Blockwarts bitte)? Reicht es schon, sich von solch billigen, aber auch besser dotierten Lock-Aktionen nicht einfangen zu lassen?
Oder ist es letztendlich nicht der Eindruck, der beim Leser zurück bleibt, der über die Reputation eines Blogs entscheidet?